Die Projekte des SPL stellen sich vor


Projekt „Videographie und Reflexionskompetenz“

Projektleitung: Prof. Dr. Christoph Bräuer und Prof. Dr. Kerstin Rabenstein
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt: Andrea Bossen

 

Im Zentrum des Projekts steht die Konzeption und Einrichtung eines Arbeitsarchivs mit Unterrichtsvideographien. Unterrichtsvideographien bilden Unterricht ab und werden seit einiger Zeit als ein probates Mittel in lehramtsbezogenen Lehrveranstaltungen angesehen, um Phänomene von Unterricht in der Praxis aufzeigen zu können und darüber die Reflexionskompetenzen unterrichtlichen Handelns weiterzuentwickeln.

Reflexionskompetenz wird dabei sowohl als Analysekompetenz als auch als Wahrnehmungskompetenz verstanden, die die Studierenden als zukünftige, pädagogische Lehrpersonen in ihrer Profession als handlungsfähig hervorbringen sollen. Über verschiedene Modi der Rekonstruktion von Unterrichtsvideographien (Beobachten, Beschreiben, Interpretieren, Kontrastieren, u. v. m.) wird ein Zugang zu unterschiedlichen Themen von Unterricht generiert, die sich einerseits in Praktiken und Interaktionsordnungen des Unterrichts und anderseits im Umgang mit dem Unterrichtsgegenstand dokumentieren.

Um die Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten von bzw. die Arbeit mit Unterrichtsvideographien in den fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Studienanteilen erfassen und aufzeigen zu können, wird eine Bedarfsanalyse mit Dozierenden durchgeführt. Auf deren Basis wird sukzessiv ein Lehrkonzept erstellt, das zugleich die Spannbreite der Varianten an Einsatzmöglichkeiten offenhält, als auch gezielt konzeptionelle Grundlagen vereinigt.

In einem Lehrbuch mit erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Anteilen sowie hochschuldidaktischen Kommentaren werden die Ergebnisse bzw. das Lehrkonzept dokumentiert. In diesem Zusammenhang wird den Dozierenden am Freitag, den 25. November 2016 ein Fortbildungsangebot bereitgestellt, welches den Einsatz von Unterrichtsvideographien in der Lehre erleichtern und unterstützen soll (nähere Informationen folgen).

Das Projekt wird weiterhin ein Netzwerk initiieren, in dem Dozierende Erfahrungen diskutieren und bestehende Ansätze zu Einsatzmöglichkeiten von Videos in der Lehre weiterentwickeln können. Ferner werden Verantwortliche der zweiten (und später auch dritten) Phase der Lehrer*innenbildung in das Netzwerk eingebunden, die ebenfalls über Videos Reflexionskompetenzen anregen wollen.

Im Rahmen dieses Vorhabens suchen wir fortdauernd Lehrpersonen aller Unterrichtsfächer, die einzelne Stunden Ihres Unterrichtes videographisch aufzeichnen lassen würden. Entsprechende behördliche, institutionelle und personelle Genehmigungen holt die Projektleitung im Vorhinein ein. Wenn Sie zur Qualitätsentwicklung von Unterricht in der Lehrer*innenbildung beitragen möchten oder Fragen zum Projekt haben, können Sie sich gerne an Andrea Bossen wenden: andrea.bossen@sowi.uni-goettingen.de.

(Beitrag: Andrea Bossen)

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.

 


Projekt „Lehrkonzept Gesellschaftslehre“

Projektleitung: Prof. Dr. Michael Sauer und Prof. Dr. Monika Oberle
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt: Alfred Germ

 

team germ
(Prof. Dr. Michael Sauer, Prof. Dr. Monika Oberle, MMag. Alfred Germ MA)

Integrationsfächer – ein Trend?

Integrationsfächer haben im deutschen Schulsystem vor allem im Bereich der Haupt-, Real- und Gesamtschulen in den Bereichen der Natur- und Gesellschaftswissenschaften Tradition. Dies gilt gegenwärtig kaum für das Gymnasium. Geschichte, Geographie (Erdkunde), Politik und Wirtschaft sind dabei in unterschiedlichen Fachbezeichnungen und Fächerordnungen in den Curricula anzutreffen. Fächerverbünde oder Kombinationsfächer erheben dabei zwar den Anspruch einer integrativen Konzeption, bleiben aber sowohl in ihrer curricularen Ausrichtung als auch in der Schulpraxis einer additiven Ausrichtung verhaftet.

Die das Fach Gesellschaftslehre konstituierenden Fächer werden auf universitärer Ebene dem Bereich der Gesellschafts- oder Sozialwissenschaften zugeordnet. Sie sind im deutschen Hochschulsystem – von einzelnen Variationen der Namensbezeichnung, den Kombinationsmöglichkeiten und inhaltlicher Unterscheidungen abgesehen – gleichsam flächendeckend als Lehramtsfächer im Bachelor- und Masterstudium studierbar. Für integrative Schulfächer im Bereich der Gesellschafts- und Naturwissenschaften existieren – Sachkundeunterricht an Grundschulen ausgenommen – derartige Ausbildungslehrgänge nicht. Diese Heterogenität der Fachbezeichnungen und die damit verbundene inhaltliche Inkonsistenz stellen gewiss eine Schwäche der Gesellschaftswissenschaften im deutschen Schulsystem dar.

Gesellschaftslehre im Schlözer Programm Lehrerbildung

Das Fach Gesellschaftslehre wird im deutschen Schulsystem an den Integrierten Gesamtschulen (IGS) in den Bundesländern Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz von der fünften bis zur zehnten Jahrgangsstufe unterrichtet. Als Flächenfach bildet es die vier Domänen der Geschichte, Geographie, Politik und Wirtschaft ab. Es ist als Fach für fächerübergreifenden Unterricht konzipiert. Im Kerncurriculum Niedersachsen wird der Bildungsauftrag des Faches Gesellschaftslehre mit den drei Zielvorstellungen Mündigkeit, Partizipation und Bewusstsein umrissen. Schüler*innen sollen zur Mündigkeit in der Gesellschaft geführt werden. Dazu gilt es, die Bereitschaft zur Partizipation in der Gesellschaft zu entwickeln. Der Aufbau eines politisch-historischen, sozialen und räumlichen Bewusstseins soll den Jugendlichen dazu verhelfen, sich in einer Welt von ständigem Wandel besser zurechtzufinden. Zudem trägt Gesellschaftslehre zu den Bildungsanliegen nachhaltiger Entwicklung, Globalen Lernens und zum Aufbau und zur Erweiterung interkultureller Kompetenz bei. Neben den fachunspezifischen sozialen und personalen Kompetenzen fokussiert der Kompetenzerwerb in der Gesellschaftslehre auf die domänenspezifische Orientierungs-, Handlungs- und Urteilskompetenz. Inhaltlich basiert das Fach auf Klafkis epochaltypischen Schlüsselproblemen Ressourcenknappheit, Ungleiche Entwicklung, Ausgrenzung, Unterdrückung/Unfreiheit, Krieg/Gewalt, Klimawandel und Armut. Als Lernfelder werden Ort und Raum, Individuum und soziale Welt, Herrschaft und politische Ordnung, Zeit und Wandel, Mensch und Umwelt sowie Ökonomie und Gesellschaft ausgewiesen. Die Bezugsdisziplinen sind Geschichte, Geografie, Politik- und Wirtschaftswissenschaft, Soziologie und Ökologie.

Schwächen von Gesellschaftslehre

  • Gesellschaftslehre existiert lediglich als Unterrichtsfach, nicht aber als Ausbildungsfach an den Hochschulen
  • Fachlehrer*innen unterrichten an Integrierten Gesamtschulen fachfremd, da eine entsprechende Fakultas fehlt
  • An Hochschulen in Niedersachsen kann nur eines der drei beteiligten Fächer studiert und nicht mit einem der beiden anderen kombiniert werden
  • Keine explizit integrative Verschränkung der Themen im Kerncurriculum
  • Schulbücher zur Gesellschaftslehre orientieren sich am fachlichen Ordnungsschema
  • Fehlen von Unterrichtsmaterial mit integrativem Anspruch

Potentiale von Gesellschaftslehre

  • Überwindung von „Fachlichkeit“ und Beitrag zu einer „holistischen Weltauffassung“
  • Zusammenschau im Lernfeld Gesellschaft durch das Zusammenführen der spezifischen Perspektiven der jeweiligen Fächer
  • Fähigkeit zum vernetzten Denken lernen
  • Förderung der Fähigkeit zum Perspektivenwechsel
  • Entwicklung fachlicher und überfachlicher Kompetenzen
  • Besonders attraktiv für Formen offener Unterrichtskonzepte

Ziele des Projekts

Ziel des Projekts ist die Entwicklung, Erprobung, formative Evaluation und Implementation eines modular aufgebauten, interdisziplinären Lehrkonzepts für das Unterrichten von Gesellschaftslehre. Der Mehrwert für Studierende liegt im Erwerb eines Zertifikats im Umfang von 15 ECTS im Rahmen des Zertifikatsstudium Lehramt PLuS (Abb. 1). Die Ausbildung richtet sich dabei an Studierende im Zwei-Fächer-Bachelor sowie im Master of Education mit einem der drei Studienfächer Geschichte, Geographie (Erdkunde) oder Politik/Wirtschaft. Studierende absolvieren dazu je nach nicht gewählten Fächern 2 Basismodule und ein integratives Modul (Abb. 1). In den entsprechenden Basismodulen werden fachwissenschaftliche und fachdidaktische Grundlagen vermittelt. Das integrative Modul wird als Praxisseminar gestaltet. Es führt in Konzepte integrativen Unterrichts im Fach Gesellschaftslehre ein. In diesem Praxisseminar werden an ausgewählten Themen Unterrichtssettings entwickelt, die in Kooperation mit Göttinger Schulen durchgeführt und reflektiert werden. Dazu ist auch die Einbindung des geisteswissenschaftlichen Schülerlabors YLAB der Universität Göttingen geplant.

 

Abb. 1: Modulstruktur für das Lehrkonzept Gesellschaftslehre im Zertifikat „Fächerübergreifendes Unterrichten“ (FD = Fachdidaktik, FW = Fachwissenschaft)

haus gesellschaftslehre

Neben dem Erwerb beruflicher Schlüsselkompetenzen wird vor allem die Professionalisierung im Bereich fachfremden und fächerintegrativen Unterrichts angestrebt. Referendar*innen müssen in der 2. Phase der Lehrerbildung damit rechnen, dass sie einen Ausbildungsplatz an einer Integrierten Gesamtschule im Fach Gesellschaftslehre zugewiesen bekommen. Daher wird im Rahmen des SPL vor allem auf eine inhaltliche und methodisch-didaktische Zusammenarbeit mit der 2. Phase der Lehrerbildung in den beteiligten Studienseminaren Niedersachsens gesetzt. Im Rahmen der 3. Phase der Lehrerbildung ist geplant, das modular angelegte Zertifikat auch für Lehrer*innen im Rahmen von Fortbildungen des Netzwerks Lehrerfortbildung (NLF) zu öffnen.

Darüber hinaus wird ein Netzwerk Gesellschaftslehre aufgebaut, an dem Vertreter*innen der beteiligten Fachwissenschaften und Fachdidaktiken aus dem Bereich der Geschichts-, Geographie- und Politikdidaktik vertreten sind. Die Vernetzungsmöglichkeiten sollen sich in weiterer Folge auf das Studienseminar in Göttingen, andere Studienseminare Niedersachsens, die Hochschuldidaktik, andere Netzwerke im SPL, IGS-Standorte in Niedersachsen und das Netzwerk Lehrerfortbildung erstrecken. Neben der inhaltlichen Arbeit des Netzwerkes an didaktischen Konzepten und methodischen Umsetzungsmöglichkeiten für einen fächerintegrativen Unterricht im Fach Gesellschaftslehre steht die Dissemination von Forschungsergebnissen im Zentrum der Aktivitäten. Dazu sind fachdidaktische Publikationen und Unterrichtsmaterial für den Fachunterricht von Gesellschaftslehre geplant.

(Beitrag: Alfred Germ)